Essay: Entwicklungspolitik

Der folgende Text entstand nach einem Seminar zur Entwicklungszusammenarbeit.

Ich stehe der Entwicklungshilfe, oder wie es neuerdings heißt Entwicklungszusammenarbeit, sehr skeptisch gegenüber. Das liegt wohl vor allem darin, dass ich die 80er miterlebt habe. Andauernde Hungersnöte in Afrika, Live Aid und tausende Institutionen, die den „armen Negerkindern“ helfen wollten. Gebracht hat es aber irgendwie nichts. Gut, das lag sicher auch an den Methoden. Die Wende von der Hilfe zur Zusammenarbeit war damals noch nicht vollzogen. Man begann wohl damals erst so langsam darüber nach zu denken, dass etwas nicht stimmt. Zudem war Entwicklungshilfe im Schatten des Kalten Krieges natürlich auch eine politische Sache und man unterstützte nur die Länder, denen man auch politisch nahestand, sprich, die die dem eigenen Block zugehörig waren.

Nach Ende des Kalten Krieges schien man endlich Zeit und Geld für die wirklich wichtigen Dinge zu haben. Geld, das nun nicht mehr für die Rüstung für den Dritten Weltkrieg gebraucht wurde hätte man in die Entwicklungshilfe stecken können. Diese Hoffnung steckt auch hinter den ehrgeizigen Millenium Entwicklungszielen der UN. Damals dachte man, man könnte dies erreichen. Der 11.9.2001 machte diese Hoffnung aber leider zunichte. Der Weltkrieg gegen den Terrorismus ließ die Verteidigungsbudgets wieder in die Höhe schnellen. Und schon war es vorbei mit den Zielen.

Ein weiteres Problem ist die Verknüpfung der Entwicklungspolitik mit der Wirtschaftspolitik. Meistens ist die Entwicklungspolitik auch innerhalb des Wirtschaftsministeriums angesiedelt. Doch selbst wenn es, wie in Deutschland der Fall, ein eigenständiges Ministerium ist, so werden die Bemühungen im Zweifel vom Wirtschaftsministerium wieder zunichte gemacht. Denn dieses kann ja nicht an einem fairen Handel interessiert sein, sondern nur an der Erschließung neuer Märkte für die Firmen im eigenen Land. Dies wäre aber nur die Fortsetzung des Imperialismus mit friedlichen Mitteln und würde den Menschen in Afrika und anderswo nicht viel bringen.

Überhaupt stellt sich beim Begriff „Entwicklung“ die Frage, wohin geht die Entwicklung und was dient als Vorbild. Wenn es einfach nur darum geht, die „armen Wilden“ ins 21. Jahrhundert zu holen und ohne Rücksicht auf die lokale Kultur ihnen unser System überzustülpen, dann muss das zwangsläufig schiefgehen. Vielmehr sollte es darum gehen, und das sollte dann der Unterschied zwischen Entwicklungshilfe und -zusammenarbeit sein, die lokal vorhandenen Probleme beispielsweise in einem Dorf, gemeinsam mit den Einwohnern zu analysieren und Lösungen zu finden. Hier ist dann wohl auch die Unterscheidung von den allgemeinen Zielen auf der institutionellen Ebene und der konkreten Situation in einem Projekt vor Ort. Die Frage ist dann, kann man dies trennen und bringt es etwas, zu sagen, wir helfen jetzt als Projektgruppe irgendwo im Kleinen, obwohl die Rahmenbedingungen vielleicht dagegen arbeiten und wie soll sich die Wissenschaft, genauer gesagt die Soziologie verhalten?

Der Streit, ob Soziologie auch normative Theorien und Aussagen aufstellen sollte wird seit gut hundert Jahren geführt. Max Weber wollte eine rein beschreibende und beobachtende Soziologie. Pierre Bourdieu dagegen sah Soziologie als „Kampfsport“ und „Selbstverteidigung“ an und wollte die soziologischen Erkenntnisse dazu nutzen, den sozial Schwachen zu helfen. Wenn dies innerhalb eines Staates oder Kulturkreis geschieht, so mag dies noch legitim sein. Wenn man aber versucht beispielsweise die Menschenrechte in einem anderen Land von Außen durchzusetzen, so stellt sich natürlich die Frage nach dem Recht dazu. Allgemein gilt, dass jedes Land eine souveräne Einheit ist. Man darf zwar kritisieren, aber direkte Einmischung ist nur unter bestimmten Umständen mit Genehmigung der UN, oder auf Anforderung des jeweiligen Staates erlaubt. Diese Regeln wurden zwar immer wieder gebrochen, aber die Folgen davon sind bekannt und meist nicht sehr positiv.

Der derzeitige Stand in der Entwicklungszusammenarbeit ist die Erkenntnis, dass die Gleichstellung der Geschlechter vorrangiges Ziel sein sollte, da dieses als eine der Hauptursachen für Probleme wie Kinder- und Müttersterblichkeit und HIV Ansteckungsraten erkannt wurden. Damit sollen die Probleme nachhaltig gelöst werden. So dass beispielsweise Krankenstationen, die gebaut wurden, auch nach Abzug der Helfer noch genutzt werden und nicht solche Phänomene auftreten, dass die Frauen nicht dort hin können, während die Männer arbeiten, da diese nicht alleine oder mit Nicht-Verwandten dorthin dürfen. Was natürlich in einem akuten Notfall durchaus tödlich enden kann.

Nun bin ich natürlich gegen eine Unterdrückung von wem auch immer und würde natürlich auch gerne sehen, wenn solche grundsätzlichen Menschenrechte überall durchgesetzt werden könnten. Andererseits ist Zwang nun auch kein Mittel der Wahl. Überzeugung dagegen schon. Man kann natürlich immer mit dem Argument „Das ist halt unsere Kultur“ kommen, aber wenn beispielsweise ein Dorf oder mehrere ein kleines Krankenhaus haben wollte und es stellt sich nachher raus, niemand geht hin und es sterben immer noch so viele Kinder und Mütter, dann kann man glaub ich mal nachfragen warum denn niemand hingeht wenn es schon da ist. Hier wäre dann das Instrument der Zusammenarbeit gefragt. Man erarbeitet gemeinsam mit den Betroffenen die Probleme und deren Ursachen. So dass sie selbst drauf kommen. Vielleicht kann man so Denkprozesse anstoßen, die zum Umdenken führen.

Wenn dies nun im Einzelfall funktioniert. Wäre dies schon zu viel der Einmischung? Wie steht es mit den weiteren Rahmenbedingungen? Müsste man nicht beispielsweise bei der Bildung auch das Schulsystem anpassen? Ich bin ja ein Anhänger ganzheitlicher Lösungen, um möglichst gegenläufige Wirkungen der unterschiedlichen Ebenen eines Staates oder der Gesellschaft zu vermeiden. Ich sehe aber bei Einmischung von Außen immer eine Verfälschung der Entwicklung. Gerade unintendierte Wirkungen sind ja nicht selten. Europa hat auch einige tausend Jahre gebraucht um auf den heutigen Stand zu kommen. Die Menschenrechte sind ja nicht vom Himmel gefallen. Das war ein schmerzhafter Lernprozess, der bis heute nicht abgeschlossen ist.

Meine Abschließende Frage an die werte Leserschaft wäre: Wie kann man sich einmischen um die (grundlegenden) Menschenrechte zu verbreiten ohne den Respekt und Achtung vor der anderen Kultur zu verlieren, also auf Augenhöhe zu verhandeln. Ist die Entwicklungszusammenarbeit eine vernünftige Möglichkeit dazu., oder sollte man lieber auf internationale NGO wie AI setzen? Oder eben gar nichts tun und auf die entsprechenden Bewegungen in den Staaten setzen, die es irgendwann schon schaffen werden sich durchzusetzen?

*Update*

Die Bildungsbürgerschau hat über diesen Artikel und das Thema Enwicklungszusammenarbeit diskutiert.

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