Vom Funk zum Rundfunk

1. Vorgeschichte

1.1 Technik

Die Grundlagen der Funktechnik wurden von James Clerk Maxwell (1838-1879) gelegt. Er beschrieb in seiner Feldtheorie die Ausbreitung von Funkwellen., die von Heinrich Hertz 1890 experimentell nachgewiesen wurden (vgl. Fuchs, 113). Nach ihm ist auch die physikalische Einheit „Hertz“ benannt, die die Frequenz von Funkwellen in Schwingungen pro Sekunde angibt. 

Der Italiener Guglielmo Marconi (1874-1937) baute 1896 einen so genannten Knallfunksender. Er war der erste, der das Ziel hatte einen Apparat zur drahtlosen Telegraphie zu bauen. Die Funkwellen wurden durch eine Entladung zwischen zwei Metallstäben erzeugt. Bei dieser Entladung entstand ein Funke (vgl. Fuchs, 115). Die elektromagnetischen Wellen waren eigentlich ein Abfallprodukt dieser Entladung. Der dabei entstehende Knall gab diesem Sendeprinzip später seinen Namen. Marconi ging mit seiner Erfindung nach England und bekam dort vom Chefingenieur der englischen Telegraphenverwaltung Unterstützung. Ab 1900 baute er sein Geschäft im Bereich des Seefunks auf und hatte dort bis 1908 ein Monopol (vgl. Fuchs, 115f).

1903 erfand der dänische Physiker Valdemar Poulsen (1869-1942) einen Sender, der auf dem Lichtbogenprinzip aufbaute. Diese Lichtbogen brannten in Wasserstoff. Dadurch war eine bessere Abstimmung von Sender und Empfänger möglich. Dieses Sendeprinzip eignete sich auch für die Tonübertragung. (vgl. Fuchs, 121).

1906 erfand der Physiker Max Wien (1866-1938) ein System mit dem Telefunken den Löschfunkensender entwickelte. Der Wirkungsgrad konnte im Vergleich zum Knallfunksender fast verdoppelt werden. Außerdem war nun ein eindeutiger Ton zu hören. Das erhöhte auch die Übertragungsgeschwindigkeit, da man die Zeichen nun besser vom Hintergrundrauschen unterscheiden konnte (vgl. Fuchs, 121f). Löschfunkensender wurden in der Seefahrt noch bis etwa 1945 eingesetzt (vgl. Fuchs, 129).

Der endgültige Durchbruch der drahtlosen Tonübertragung wurde erst durch die Erfindung der Elektronenröhre möglich. Damit konnte man erstmals kontinuierliche elektromagnetische Wellen abstrahlen. Zudem war sie als universell einsetzbares Bauelement in der Elektronik kostengünstig herzustellen (vgl. Fuchs, 131). Die Elektronenröhre wurde schon 1906 von Robert von Lieben (1878-1913) als Telefonverstärker erfunden und von Telefunken für Funkzwecke weiterentwickelt. Geräte mit Röhren kamen ab 1915 im Ersten Weltkrieg zum Einsatz (vgl. Fuchs, 129). Elektronenröhren wurden zum Beispiel zum Bau der ersten elektronischen Computer verwendet und kommen noch heute in Verstärkern im Musikbereich zum Einsatz. Erst die Erfindung des Transistors löste die Röhre ab.

1.2 Politik

Mit der Erfindung der Telegrafie in den 1830er Jahren konnten Nachrichten erstmals unabhängig von der Entfernung schnell übertragen werden. Die Vorteile für die Wirtschaft, gerade bei Kaufleuten und Spekulanten wurde schnell klar. In den Industrieländern baute man sehr schnell nationale Telegrafennetzwerke auf. Die ersten Unterseekabel wurden schon Mitte des 19. Jahrhunderts verlegt und 1866 gab es eine dauerhafte transatlantische Verbindung. Sie verbanden die europäischen Länder mit ihren Kolonien. So gab es wichtige Knotenpunkte auf entlegenen Inseln im Pazifik. Ende des 19. Jahrhunderts hatten die Briten ein fast weltumspannendes Netz von Unterseekabeln aufgebaut. Der Anteil der Briten lag bei ca. 80 Prozent. Zwar versuchten die anderen Staaten dieses Monopol durch Bau eigener Kabelnetze zu brechen, doch war kein anderes Land dazu in der Lage ein so gut ausgebautes Kabelnetz zu verlegen und zu schützen. Dazu kam, dass die Kabel leicht zu zerstören waren. Im Falle eines Krieges konnte man schnell die Kabel des Gegners kappen oder abhören und somit einen wichtigen Informationsvorteil erlangen. Um dies zu umgehen, suchte man nach einer drahtlosen Lösung (vgl. Lerg 1970, 27f; Wenzlhuemer, 50f).

Das Quasi-Monopol des Marconi Systems, das wiederum die Engländer besaßen, veranlasste das Militär in Deutschland nach einer nationalen Lösung zu suchen. (vgl. Fuchs, 118f). Am 1. April 1906 entschied der deutsche Generalstab für den Fall eines europäischen Krieges Funkstationen zu entwickeln und auch das Reichskolonialamt war an der Funktechnik interessiert (vgl. Dussel, 21). Die Industrie drängte aus wirtschaftlichen Gründen auf ein weltumspannendes Funknetz und die Politik übernahm schließlich dieses Ziel. Um dies zu erreichen wurde die Forschung und Entwicklung gebündelt, indem der Kaiser AEG und Siemens & Hartke dazu drängte eine gemeinsame Firma zur Entwicklung von drahtloser Telegrafie zu gründen. Daraus entstand 1903 die „Gesellschaft für drahtlose Telegraphie“, später Telefunken genannt (vgl. Lerg 1970, 29ff).

Dabei war es vor allem die Marine, die die Vorteile der neuen Technik sah. Im Jahre 1909 waren alle Kriegsschiffe mit Funk ausgerüstet (vgl. Evans, 212).  1911 wurde schließlich die „Generalinspektion des Militär-Verkehrswesens“ gegründet (vgl. Lerg 1970, 33ff). Im selben Jahr wurden die ersten Funkstationen in den afrikanischen Kolonien gebaut (vgl. Lerg 1970, 38). Schon 1913 gründete man die Nachrichtenagentur Transocean, um Nachrichten aus Deutschland in der Welt zu verbreiten (vgl. Evans, 210). Bis zum Ersten Weltkrieg hatte das Deutsche Reich ein kleines Netzwerk von Funkstationen aufgebaut, die die Kommunikation mit den Kolonien sicherte. Frankreich und Großbritannien verließen sich allerdings auf ihre Kabelnetzwerke und verfolgten keinen großen Ausbau eines Land gestützten Funknetzwerkes. (vgl. Wenzlhuemer 52f).

Nach dem Untergang der Titanic 1912 erkannte man den großen Sicherheitsgewinn durch die Funktechnologie und auf einer Konferenz 1913 wurde eine Funkanlage für alle Schiffe über 50 Passagieren zur Pflichtausstattung. Das bot Telefunken die Chance in den Markt für Seefunk einzusteigen und damit war das Monopol von Marconi gebrochen. Dazu muss man wissen, dass Marconi Geräte bis dahin nur untereinander kommunizieren konnten (vgl. Evans, 213).

1.3 Weltkrieg

Der Erste Weltkrieg ließ schon kurz nach Beginn der Kampfhandlungen die Bedeutung der Funktechnologie deutlich werden. Die Kabelverbindungen des Deutschen Reiches wurden von den Briten zerstört. Somit war man auf die Funktechnologie angewiesen (vgl. Fuchs, 127f). Ebenso versuchten die Deutschen, die britischen Unterseekabel zu sabotieren. So wurden Telegrafiestationen auf pazifischen Inseln überfallen. Allerdings mit wenig Erfolg. Der Schaden konnte sehr schnell wieder repariert werden (vgl. Wenzlhuemer, 49f). In Deutschland wurden Sender beschlagnahmt und dem Kriegsministerium unterstellt. Die Funkstationen Nauen, Eilvese und Norddeich wurden für Propagandazwecke genutzt. Damit rückte die Rundwirkung der Funkwellen zum ersten Mal in den Vordergrund. Bisher ging es vor allem um Richtfunk an einen bestimmten Empfänger. Diese Nachrichten richteten sich jedoch an jeden, der sie empfangen konnte (vgl. Fuchs, 127f).

Allerdings gelang es den Alliierten die deutschen Kolonien zu erobern und damit auch die dort stehenden Funkstationen. So war schon kurz nach Beginn des Krieges auch das Funknetzwerk zerstört und die Koordination von Schiffen und der Informationsaustausch musste über die Funkstationen in Deutschland und befreundeten Ländern erfolgen. Die Schiffe wurden wiederum als Relaisstationen genutzt (vgl. Wenzlhuemer, 53). Schon im Oktober 1914 konnte, selbst per Funk, nur noch Europa und die USA erreicht werden, wo die Nachrichten aufgenommen und nach Asien weitergeleitet wurden. Diese Möglichkeit endete 1917, als die USA in den Krieg eintraten (vgl. Evans, 217f).

Die rein militärische Verwendung des Funks erlebte einen ungeahnten Aufschwung. Die Bedeutung wird wohl am besten durch die Anzahl der Soldaten der Nachrichtentruppe klar. 1914 zogen 800 Offiziere und 25000 Soldaten der Telegraphentruppe in den Krieg, 1918 waren es 4381 Offiziere und 185000 Soldaten. Am 18. Juli 1917 wurde die Telegraphentruppe in Nachrichtentruppe umbenannt und zu einer eigenen Waffengattung erklärt. Die Männer dieser Truppe sollten in der Revolutionszeit noch eine wichtige Rolle bei der Weiterentwicklung des Funks zum Rundfunk spielen (vgl. Lerg 1970, 42f).

Da die Funkwellen nicht beim erwünschten Empfänger stehen bleiben, sondern sich kreisförmig ausbreiten, konnte man den Funk des Feindes abhören und per Funkpeilung Schiffe orten. Dagegen entwickelte man Kodierungssysteme, sowie Strategien der Funkstille, um seine Position nicht in einem ungünstigen Augenblick preiszugeben. Auch Zensur spielte eine Rolle, was auch die zivile Telegrafie in dieser Zeit betraf (vgl. Wenzlhuemer, 53f).

1.3.1 Funk im Luftkrieg

Da Flugzeuge zu Beginn des Krieges vor allem als Aufklärer und Feuerbeobachtung der Artillerie eingesetzt wurden, erwies sich hier die Funktechnik als besonders geeignet. Allerdings waren die Funkanlagen noch sehr schwer und die Flugzeuge zu Anfang auch nicht sehr leistungsfähig. Aber schon 1915 wurden Sender in dafür geeignete Flugzeuge eingebaut. Diese wogen ca. 30kg plus 15kg für Stromgeneratoren. Daher baute man nur Sender und keine Empfänger ein, da dies zusätzliches Gewicht bedeutete (vgl. Roßbach, 1f).

1.4 Revolution 1918 – 1919

Am 9. November 1918 besetzten Abgesandte des Berliner Arbeiter- und Soldatenrates Wolffs Telegraphisches Bureau und sendeten von dort, an die Allgemeinheit gerichtete, Nachrichten. Gleiches passierte auch in anderen Städten

(vgl. Dussel, 22).

Gleichzeitig wurde von Mitgliedern der Funktruppe die Zentralfunkleitung (ZFL) in Berlin gegründet. Ihr Ziel war es ein eigenes Funknetz aufzubauen, unabhängig vom eigentlich dafür zuständigen Reichspostamt (vgl. Dussel, 22f). Das Reichspostamt reagierte darauf, in dem es schon im Dezember 1918 plante, den Funk in seinem Einflussbereich zu halten. Dem Kriegsministerium war die Situation außer Kontrolle geraten, da die Funktruppen, die eigentlich die Sender gegen Revolutionäre schützen sollten, selbst die Sender übernahmen (vgl. Lerg 1970, 45).

Um wieder für Ordnung im Funkwesen zu sorgen, wurde am 4. Dezember 1918 die Reichsfunkkommission (RFK) einberufen. Dort sollten alle Gruppen, die etwas mit Funk zu tun hatten, ihre Interessen vertreten und die zukünftige Organisation des Funks in Deutschland beschließen. Allerdings waren die Vertreter der ZFL in der Minderzahl und wurden auch nur als Vertreter der Interessen der Beschäftigten im Funkdienst angesehen. Dies wurde durch eine Regierungserklärung offiziell festgestellt. Die Aufgaben der ZFL wurden schließlich auf die RFK übertragen (vgl. Lerg 1970, 61ff).

Am 1. Februar 1919 gründete man die Reichsfunk-Betriebsverwaltung (RFBW). Diese übernahm wiederum die Aufgaben der RFK und das Ende der ZFL war damit endgültig besiegelt (vgl. Lerg 1970, 72). Chef der RFBW wurde Hans Bredow, dieser war technischer Direktor von Telefunken gewesen. Das wiederum machte sich die Post zunutze. Sie gliederte eine Abteilung für Funkentelegraphie aus und ernannte Hans Bredow zum Leiter dieser Abteilung. Dieser schaffte es innerhalb von weniger als drei Monaten die RFBW für die Post zu vereinnahmen und im April 1919 wurde alles in die Reichstelegraphenverwaltung eingegliedert. Damit waren die Weichen für einen staatlich beeinflussten Rundfunk gestellt (vgl. Dussel, 24f).

2. Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik

2.1 1919 – 1922

Die Rundfunkpolitik fand zunächst einmal in den Ministerien statt. Federführend war das Reichspostministerium, mit dem für den Funk zuständigen Hans Bredow (vgl. Dussel, 29).

1919 war man sich einig, dass der Funk für Punkt zu Punkt Verbindungen den Kabelverbindungen wirtschaftlich unterlegen ist. Die Bestrebungen gingen also dahin, die Empfängerzahl zu vergrößern und die Rundwirkung der Funkwellen zu nutzen. Die Verleger machten sich zunächst Hoffnungen auf eine privatwirtschaftliche Organisation der Funkentelegraphie und zumindest teilweisen Abschaffung des staatlichen Monopols (vgl. Lerg 1970, 93). Doch als Bredow klarmachte, was das Postministerium wirklich plante, nämlich einen zentralen Pressedienst mit Empfängern in Redaktionen und Poststellen, verschwand die anfängliche Unterstützung. Zum einen befürchteten sie, dass die Nachrichtenqualität abnehmen würde, da ja jede Redaktion dieselben Nachrichten erhalten würde und zum anderen würde somit keiner mehr einen Informationsvorsprung vor anderen Zeitungen haben (vgl. Lerg 1970, 97). Rundfunkempfänger bei Privatpersonen aufzustellen war zum einen nicht gewollt, da man befürchtete, dass dann jedermann alle in Reichweite befindlichen Sender abhören könne. Allenfalls auf bestimmte Frequenzen eingestellte und verplombte Empfänger konnte sich die Post vorstellen. Das größte Problem lag aber darin, dass alle Konzepte noch auf drahtloser Telegraphie basierten. Die drahtlose Telegraphie basierte auf Morsezeichen oder einer speziellen Funkersprache, mit deren Hilfe sich die Funker unentbehrlich machen wollten, denn niemand außer ihnen konnte die Zeichen in Klartext übersetzen.  Also musste der im Ersten Weltkrieg entwickelte Sprechfunk weiterentwickelt werden (vgl. Lerg 1970, 94).

Für die Entwicklung vom Sprechfunk zum Rundfunk kamen die Impulse allerdings aus einer anderen Richtung. Die Außenhandelsstelle des Auswärtigen Amtes hatte zur Förderung der deutschen Wirtschaft ein Referat gegründet. Dieses Referat mit dem Namen Eildienst wurde von Ludwig Voss geleitet. Hier wurden internationale Wirtschaftsnachrichten an etwa 4000 Firmen weitergeleitet. Allerdings war die Behörde damit schnell überfordert und Voss gründete die Eildienst für amtliche und private Handelsnachrichten GmbH. Das Geschäft lief gut und so bot man der Post an, einen Sender zu finanzieren mit dem die Nachrichten direkt zu den Firmen gelangen konnten und nicht wie bisher noch einen Umweg über die Telegraphenämter machen mussten. Am 1. September 1922 wurden die Sendungen schließlich aufgenommen. Es war zwar noch kein richtiger Rundfunk, da die Zielgruppe recht klein und klar begrenzt war, doch war es ein Beweis dafür, dass das Prinzip funktionierte (vgl. Dussel, 26f). 

Die entscheidende Entwicklung fand in den USA statt. Dort ging der erste Rundfunksender schon am 2. November 1920 in Pittsburgh auf Sendung. Durch die lockere Handhabung der Lizenzierung, die dort vom Wirtschaftsministerium vorgenommen wurde, entstand sehr schnell ein riesiger Markt. Schon Ende 1920 gab es dreißig Lizenznehmer. Die Kosten konnten allein durch die riesige Nachfrage nach Empfangsgeräten gedeckt werden. In Großbritannien verlief die Entwicklung ähnlich. Die Post in Deutschland dagegen war sehr zurückhaltend. Sie entsandte einen Experten in die USA, um sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Der Bericht des Experten bestätigte den wirtschaftlichen Erfolg, mahnte aber zugleich eine rigide gesetzliche Regelung an, um eine chaotische Entwicklung zu verhindern (vgl. Dussel, 28). Dies sollte bei der zukünftigen Organisation des Rundfunks eine wichtige Rolle spielen.

2.2 1922 – 1926

Am 14. Mai 1922 stellten die Firmen Telefunken und Lorenz einen Antrag für eine Lizenz zum Aufbau eines Sendebetriebes. Das System sollte, nach amerikanischem Vorbild, durch den Verkauf der Empfangsgeräte finanziert werden. Am 22. Mai 1922 gründete die Eildienst die Deutsche Stunde und beantragte kurze Zeit später ebenso eine Lizenz. Die Deutsche Stunde sollte allerdings in Kinos und anderen Einrichtungen per Lautsprecher „gesendet“ werden. Die Post verhielt sich zunächst zurückhaltend, tendierte aber eher zum Konzept der Deutschen Stunde. Zunächst einmal kamen beide Vorhaben ins Stocken. Die Lautsprecher der damaligen Zeit waren noch nicht ausgereift und auf der anderen Seite, war die Uneinigkeit, die in der Funk- und Pressebranche herrschte, ein Verzögerungsfaktor. Ernst Ludwig Voss, Vorstand der Deutschen Stunde setzte aber schon bald auf Regionalisierung und gründete eine Filiale in München (vgl. Dussel, 28ff).

Für Bredow und die Post ging es nun erst einmal um die Programmgestaltung des zukünftigen Rundfunks. Zuerst musste geklärt werden, ob man dem Rundfunk eine vollständige Presse- und Meinungsfreiheit zubilligen sollte, oder ob man eher wie beim Film verfahren sollte, bei dem Zensur möglich war.  Für Bredow war letzteres eher wahrscheinlich. Er fragte beim Innenministerium an und bekam 1923 eine Antwort. Das Innenministerium ließ keinen Zweifel daran, dass der Staat einen erheblichen Einfluss auf das Programm haben müsse (vgl. Dussel, 30f).

Um diese Pläne umzusetzen, planten die Post und das Innenministerium ein Monopol auf die Verbreitung von Nachrichten im Rundfunk, die an eine nicht näher genannte Gesellschaft übertragen werden sollte. Ministerialrat im Innenministerium Kurt Haentzschel hatte mit einigen anderen Politikern die Aktiengesellschaft für Buch und Presse gegründet. Sie wurde später in Drahtloser Dienst (Dradag) umbenannt und bekam den Auftrag des Innenministeriums den Inhalt für das publizistische Programm zu liefern. Für die Unterhaltung sollte weiterhin die Deutsche Stunde verantwortlich sein.  Die Deutsche Stunde gründete neun Regionalgesellschaften. Die Post war mit jeweils 51% beteiligt und sicherte sich so ihren Einfluss. Am 29. Oktober 1923 lief in Berlin die Erste Rundfunksendung in Deutschland (vgl. Dussel, 31f).

Im Januar 1924 wurde der Reichsrundfunkverband gegründet. Damit wollte man die regionalen Gesellschaften besser organisieren. Doch die Post hatte andere Pläne. Sie brachte die Regionalgesellschaften mit Hinweis auf die noch nicht endgültigen Sendelizenzen, dazu am 15. Mai 1925 die Deutsche Reichs-Rundfunk-Gesellschaft mbH (RRG) zu gründen. Die Post hielt wieder 51% der Anteile. Als Geschäftsführer wurde Kurt Magnus von der VOX Schallplatten AG und Heinrich Giesecke, Ministerialrat der Post und Mitglied fast aller Aufsichtsräte der regionalen Rundfunkgesellschaften. Hans Bredow bekam den Chefposten. Somit war der Einfluss der Post gesichert. Der Reichsrundfunkverband wurde aufgelöst und ebenso die Deutsche Stunde, die keine Funktion mehr hatte, da ja alle Aufgaben auf die regionalen Gesellschaften verteilt waren (vgl. Dussel, 34f). Bredow sorgte für die weitere Verstaatlichung, indem er das Innenministerium darauf aufmerksam machte, dass es so gut wie keinen Einfluss auf die Dradag hatte. Schließlich gingen 51% der Aktienanteile an das Innenministerium über. Die restlichen 49% gingen an verschiedene Pressebetriebe. Im Aufsichtsrat kam noch der Einfluss der Länder hinzu, die laut Verfassung die Kulturhoheit hatten. Acht von 26 Sitzen kamen den Ländervertretern zu. Der Verantwortliche Chefredakteur wurde nach längeren Verhandlungen Josef Räuscher, der Mitglied der Zentrumspartei war (vgl. Dussel, 35f).

Um die Ansprüche der Länder zufrieden zu stellen, denn sie hatten ja die Kulturhoheit, bekamen sie Mitspracherechte in Überwachungsausschüssen und Kulturbeiräten. Die Überwachungsausschüsse bestanden aus drei Mitgliedern, wovon einer vom Reich und zwei von den Ländern gestellt wurde. Die Kulturbeiräte konnten mit bis zu zwölf Mitgliedern besetzt werden, die von den Landesregierungen bestimmt wurden (vgl. Dussel, 36f).

Am 7. Dezember 1926 wurde das Parlament offiziell von der Existenz und Organisation des Rundfunks unterrichtet (vgl. Lerg, 1980, 267). Damit war die erste deutsche Rundfunkordnung vollständig. Die Post war für alle technischen und organisatorischen, sowie wirtschaftlichen Belange zuständig. Das Innenministerium und die Länder sorgten für die politischen Inhalte. Die praktische Umsetzung geschah durch die regionalen Rundfunkgesellschaften, die auch den Unterhaltungsteil des Programms beisteuerten. Diese wurden wiederum von Überwachungsausschüssen und Kulturbeiräten kontrolliert. Der staatliche Einfluss war also durch die 51-prozentige Beteiligung und die Zensur- und Kontrollgremien gesichert (vgl. Dussel, 37f). Die Hörer durften nach Zahlung einer Rundfunkgebühr von 2 RM im Monat Empfänger betreiben. Empfangen durften sie aber nur die angebotenen Programme der jeweiligen Programmgesellschaften (vgl. Lerg, 1980, 269).

3. Fazit

Die Bedeutung des Funks wurde in Deutschland schon früh erkannt und durch die Überlegenheit der Engländer im Bereich der Kabeltelegrafie war man gezwungen eine Alternative zu entwickeln. Im Ersten Weltkrieg zeigte sich dann, dass die Befürchtungen auch eintraten. Die Technik wurde im Krieg konsequent weiterentwickelt, auch wenn sie noch nicht in der Lage war, Meldegänger und Brieftauben und drahtgebundene Feldtelefone zu ersetzen, so war sie doch wichtig für die Propaganda. Aber nicht nur auf der technischen Seite fand eine Entwicklung statt. Zum ersten Mal wurde Propaganda über Funk verbreitet. Hier zeigte sich, dass der Funk nicht nur für eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung geeignet war, sondern seine Stärke gerade in seiner Eigenschaft als Rundfunk lag.

Die politische Entwicklung nach dem Krieg könnte man als „typisch deutsch“ bezeichnen. Anfänglichen Bestrebungen der Funkertruppe den Funk in Eigenregie zu betreiben, scheiterten und es wurde mehr oder minder bereitwillig der Post das Feld überlassen. Man bemerkt auch noch die Nachwirkungen der Monarchie. Eine freie Meinungsäußerung in einem so weit wirkenden Medium wie dem Rundfunk oder gar die freie Empfangbarkeit von beliebigen Programmen durch entsprechende Empfänger für alle war den Beamten und Politikern fremd und führte eher zu Abwehrreaktionen.

Im Rückblick betrachtet, könnte man sagen, dass der Quasistaatsfunk schon die Entwicklung zur Diktatur vorwegnahm und die Gleichschaltung der Medien sicher erleichtert hat. Das Beispiel Weimarer Republik zeigt im Vergleich zur heutigen Bundesrepublik, dass es im demokratischen Sinne wesentliche Vorteile hat, wenn sich der Staat aus dem Rundfunk fernhält und sich allenfalls auf regulatorische Maßnahmen beschränkt.

Trotzdem gab es in Deutschland erst sehr spät privaten Rundfunk. Bis 1984 gab es nur die öffentlich-rechtlichen Sender (vgl. Wikipedia).

Bei fortschreitender Digitalisierung stellt sich auch die Frage, ob eine Lizenzvergabe im Rundfunk überhaupt noch notwendig ist. Denn diese begründete sich vor allem aus der Frequenzknappheit des Rundfunks. Inzwischen begründet man die Regulierung mit dem Jugendschutz und inhaltlichen Anforderungen, um Fehlinformationen zu vermeiden. Durch das Internet hat sich das Bandbreitenproblem erledigt. Inwieweit Medienangebote im Internet Rundfunk sind oder nicht, ist noch umstritten, unter bestimmten Umständen müssen inzwischen auch Livestreams eine Rundfunklizenz haben. Rundfunk wird unter anderem dadurch definiert, dass elektromagnetische Schwingungen genutzt werden, doch können die Landesmedienanstalten auch entscheiden, dass bestimmte Telemedien zum Rundfunk gezählt werden. Die Regeln dazu werden sich in den nächsten Jahren sicher noch verändern (vgl. Wikipedia).

Literaturverzeichnis:

  • Dussel, K. 2004: Deutsche Rundfunkgeschichte. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH
  • Evans, H 2010: The Path to Freedom? Transocean and German Wireless Telegraphy, 1914– 1922. In: Roland Wenzlhuemer (Hg.), Historical Social Research – Historische Sozialforschung. Global Communication: Telecommunication and Global Flows of Information in the Late 19th and Early 20th Century, S. 209–36. Köln. (https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-285403)
  • Fuchs, M. 1998: Anfänge der drahtlosen Telegraphie im Deutschen Reich 1897-1918. In: Teuteberg, Hans Jürgen / Cornelius Neutsch (Hrsg).: Vom Flügeltelegraphen zum Internet. In: Pohl, Hans / R. Gömmel, F-W. Henning / K. H. Kaufhold / F. Schönert-Röhlk & G. Schulz (Hrsg.): Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Beihefte Nr. 147. Franz Steiner Verlag. S. 113 – 131.
  • Lerg, W. B. 1980: Rundfunk-Politik in der Weimarer Republik. In: Bausch, Hans (Hrsg.): Rundfunk in Deutschland Band 1, München: Deutscher Taschenbuchverlag GmbH & Co. KG
  • Lerg, W. B. 1965: Die Entstehung des Rundfunks in Deutschland. Herkunft und Entwicklung eines publizistischen Mittels. In: Historische Kommission der Arbeitsgemeinschaften der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte des deutschen Rundfunks. Frankfurt a. M.: Josef Knecht
  • Roßbach, U. 2014: Die Technische Entwicklung der von den Deutschen Luftstreitkräften im 1. Weltkrieg 1914 – 1918 eingesetzten Flugzeuge. Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt – Lilienthal-Oberth e.V., Bonn (https://publikationen.dglr.de/?tx_dglrpublications_pi1[document_id]=340009)
  • Wenzlhuemer, R. 2014: Per Funk und Kabel. Kommunikationstechnik im Ersten Weltkrieg. In: Kultur & Technik, Vol. 38. Jahrgang, Nr. 2: S. 48-55 
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