Umberto Eco: Kritik an der Kulturindustrie

Umberto Eco wirft Adorno und Horkheimer vor, sich auf einen elitären Standpunkt zurückzuziehen und „Theorien über den Zerfall“ aufzustellen (Eco, 15). Massenkultur ist demnach eine Degenerierung von Kultur. Gleichzeitig erfinden sie, wie Eco sie nennt, Begriffsfetische. Ein Begriffsfetisch dient dazu, die Diskussion emotional zu machen und sie damit zu verhindern. In dem Adorno und Horkheimer die beiden Begriffe Kultur und Industrie zusammenfügen, bilden sie einen besonders starken Begriffsfetisch, der durch den großen Gegensatz der beiden Begriffe eine zwar sehr emotionale aber wenig sinnvolle Diskussion auslöst (vgl. Eco, 19).

Ebenso problematisch wie die Begriffe, die Adorno und Horkheimer benutzen, ist ihr Verhältnis zu ihrem Untersuchungsgegenstand. Eco wirft ihnen vor, dass sie die Massenkultur einfach generell ablehnen statt sie genauer zu analysieren (vgl. Eco, 25f). Sie wissen also praktisch gar nicht genau worüber sie reden, da sie keine genaue Analyse des Inhalts unternommen haben. Genauso ignorant stehen sie zu den Nutzern der Massenmedien, die als wehrlose Opfer betrachtet werden, die sich durch die Antiaufklärung der Kulturindustrie das Denken verbieten lassen.

Eco ist der Meinung, dass die Massenkultur nicht nur negative Auswirkungen hat, sondern auch einiges für die Demokratisierung und die Alphabetisierung beigetragen hat (vgl. Eco, 20f). Diese Einschätzung teilen Adorno und Horkheimer allerdings nicht, da sie, wie Eco bemerkt, eine „pessimistische Einschätzung des Menschen […]“ haben (Eco, 21).

Gerade das Normative am Ansatz von Adorno und Horkheimer kritisiert Eco, der in der pauschalen Verdammung der Medien keinen Sinn sieht und eine Verallgemeinerung ablehnt.

Die Kritik, die Eco an der Theorie von Adorno und Horkheimer anbringt ist durchaus berechtigt. Adorno und Horkheimer kritisieren ja vor allem die Medien, die Schuld am Verfall der Kunst haben sollen und dabei die Masse zur Passivität verführen. Gleichzeitig ist ihr Ansatz sehr normativ. Dies wird durch die Begriffsfetische, wie Eco sie nennt, noch unterstützt. Daher wird eine argumentative Diskussion zumindest erschwert. Eco moniert daher zurecht, dass der Ansatz zu allgemein gehalten ist und einer genaueren empirischen Untersuchung bedarf.

Man könnte natürlich auch Eco vorwerfen solche Begriffsfetische aufzustellen. Seine ja recht grobe Einteilung in Apokalyptiker und Integrierte ist ja nicht minder polemisch. Doch relativiert er schon am Anfang diese Bezeichnung und sagt selbst, es sei „höchst ungerecht, menschliche Haltungen […] unter zwei so allgemeine und polemische Begriffe […] zu subsumieren“ (Eco, 15). Er benutzt diese Begriffe also praktisch als Provokation und Spott auf die teilweise ja auch sehr polemischen Ausführen von Adorno und Horkheimer.

Eco schlägt als Alternative zur kritischen Theorie der Frankfurter Schule einen analytischen Umgang mit den Massenmedien vor. Leschke kritisiert zwar die Lösung Ecos, einen dritten Weg einzuschlagen und so der Entscheidung aus dem Weg zu gehen, doch sehe ich seinen Weg als den einzig möglichen an (vgl. Leschke, 188). Die normative Debatte, die die Massenmedien als Zerfallserscheinung ansieht führt meiner Meinung nach zu nichts, außer eben einer emotionalen Debatte die sich irgendwann im Kreis dreht, da die Argumente so allgemein gehalten sind, dass sie weder bewiesen noch widerlegt werden können. Eco schlägt diesen Weg auch ein, da er der Meinung ist, dass es unmöglich sei eine allgemeine Theorie der Massenmedien zu entwickeln (vgl. Eco, 34). Wenn man aber keine allgemeine Theorie entwickelt, bleibt nur der Weg über die Untersuchung einzelner Phänomene und Teilaspekte des der Massenmedien. Dabei kritisiert er auch diejenigen, die sich einer Untersuchung verwehren, da sie den Themen der Massenkultur keine Bedeutung zuerkennen. Denn, so Eco, ist es ja gerade die „Summe dieser geringfügigen Botschaften, die unser tägliches Leben begleiten […]“ (Eco, 34). Er erkennt also die, durchaus auch positive Bedeutung der Massenmedien für die Gesellschaft an und geht damit in Opposition zur Frankfurter Schule. Er versucht also die Massenmedien wieder als Forschungsobjekt zu etablieren und sie aus der „Schmuddelecke“ heraus zu holen.

Eco sieht ja auch die Chancen die die Massenmedien bieten und schlägt daher auch vor, dass die Kunstschaffenden selbst Inhalte produzieren sollen und so aktiv die Inhalte beeinflussen sollen. Darüber hinaus sieht er auch politischen Handlungsbedarf (Eco, 42). Ein Vorschlag der sicher konstruktiver ist, als die pauschale Ablehnung.

Leider schafft es Eco, trotz aller Kritik, nicht die Argumente von Adorno und Horkheimer zu widerlegen. Wenn er das Verhalten von Superman analysiert, der sich immer an Recht und Gesetz hält und nicht mal falsch parken würde, so bestätigt er damit nur die Frankfurter Schule, die den Medien eine Bestätigung und Festigung der bestehenden Ordnung vorwerfen. Superman würde sicher niemals eine Revolution anzetteln, obwohl er sie alleine bestreiten könnte (vgl. Eco, 17). Auch das Argument, dass die Massenkultur, an den Geschmack der Masse und damit dem „Durchschnitt an der untersten Grenze“, angepasst sei bestätigt er (Eco, 20). Das heißt also, das Eco die Befunde der Frankfurter Schule im Detail nicht widerlegt, ja sie sogar noch bestätigt.

Die Ausführungen sind, wie er ja selbst auch zugibt, vorläufig und bedürfen weiterer Forschung (Eco, 35). Insgesamt schafft er es zwar nicht die Argumente der Frankfurter Schule zu widerlegen, doch versucht er die Medienwissenschaft aus einer emotionalen Debatte heraus- und an ihren Forschungsgegenstand heranzuführen. Meiner Meinung nach ein guter Ansatz um die Diskussion neu zu entfachen und auf eine empirische Basis zu setzen. Denn Massenmedien haben heute eine sehr große Bedeutung. Deren pauschale Ablehnung würde zu keiner Problemlösung führen. Sein Ansatz ist weniger Theorie, die Möglichkeit eine Theorie der Medien aufzustellen stellt er ja auch in Frage, als eine Anleitung sich explizit mit dem Forschungsgegenstand zu beschäftigen. Damit spricht er sich natürlich gegen eine Theoriebildung aus und somit ist seine Lösung auch nur konsequent.


Literatur:

Eco, Umberto: Eco, Umberto: Apokalyptiker und Integrierte. Zur kritischen Kritik der Massenkultur. Frankfurt/Main: Fischer taschenbuch 1989. S15 – 26, 30 – 35, 42 – 47
Leschke, Rainer: Einführung in die Medientheorie. München: Fink 2003. S. 184 – 192.

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6 Antworten zu Umberto Eco: Kritik an der Kulturindustrie

  1. Nils sagt:

    Super, danke für das geistreichste was ich heute lesen durfte. 😉

  2. bebbi sagt:

    Was meint „Begriffsfetisch“ genau. Das wird mir nicht klar. Fetisch ist ja eigentlich nur eine besondere Vorliebe. Aber das alleine bedingt ja nicht die genannte Emotionalisierung.

  3. Soziobloge sagt:

    Doch genau dies bedingt die Emotionalisierung. Denn die Begriffe die sie benutzen sind ideologisch aufgeladen.

  4. headlab sagt:

    hey,

    guter text, aber er hinkt – besonders bei den vergleichen mit adorno und horkheimer, auf die sich eco gar nicht explizit bezieht. im gegenteil, er nimmt adorno an einer stelle sogar extra heraus: „Nicht alle Kritiker lassen sich dieser Richtung (dem elitären Standpunkt, Anm.) zuordnen: nicht Adorno, dessen Argumentation zu bekannt ist, als daß sie hier wieder gegeben werden müsste…“ (Eco, S. 40f). Was ebenfalls nicht zutrifft (und von Eco auch nicht behauptet wird), ist, dass Adorno die Beschäftigung mit und Analyse der Popkultur ablehnt (etliche Essays Adornos dazu in der Ästhetik, Kulturkritik und Gesellschaft…) oder in der reinen Negation verharrt ohne konkrete und/oder politische Forderungen zu stellen. Kulturkritiker und -pessimisten sind nicht synonym mit Adorno/Horkheimer gleichzusetzten. Wie kommst du darauf?

  5. Soziobloge sagt:

    @headlab
    Eco nimmt Adorno nicht generell aus, sondern nur aus einer speziellen Form der Kritik der Massenkultur (Eco, S. 39). Es ging hier auch vor allem um einen Text von Adorno und Horkheimer. Weiteres wurde da auch nicht behandelt.
    Wenn man die Argumentation der Kritiker der Massenkultur betrachtet, die man heute so lesen und hören kann, so beziehen sie sich implizit immer irgendwie auf Adorno und Horkheimer mit ihrer Kritik an der Massenkultur. Daher komme ich darauf. Es mag zwar sein, dass die beiden noch andere Texte verfasst haben, was aber nicht bedeutet, dass man bei Kritik an einer Sache halt diese vielleicht postiver gemeinten Schriften dann ausblendet. Daher komme ich darauf.

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