Marshall McLuhan: Die magischen Kanäle

Um den Ausspruch „Das Medium ist die Botschaft“ von Marshall McLuhan zu verstehen, muss man wissen, dass er einen sehr weiten Medienbegriff hat. In den meisten Fällen versteht man unter einem Medium, einen Informationsträger, beispielsweise einen Fernseher oder ein Blatt Papier. Der Medienbegriff von McLuhan geht allerdings wesentlich weiter. Er bezeichnet alles als Medium. Eine Maschine die ein Produkt herstellt ist genauso ein Medium wie eine Schallplatte oder ein Telefon. Der Inhalt ist dabei nicht entscheidend. Ob nun jemand mit einem Computer einen Text schreibt oder einen Film schaut, oder damit spielt ist unerheblich. Wichtig ist nur die Tatsache, das dass Medium von den Menschen benutzt wird und die allgemeinen Auswirkungen auf die Menschen. Das beschreibt der Satz „Das Medium ist die Botschaft“. Der Inhalt eines Medium ist wiederum ein Medium. Beispielsweise ist der Inhalt der Schrift die Sprache. McLuhan macht das am Beispiel des Lichts klar, das er als „Medium ohne Botschaft“ bezeichnet (McLuhan, S.22f).Licht beeinflusst die Gesellschaft, in dem es Aktivitäten wie nächtliche Sportereignisse oder nächtliches Auto fahren möglich macht. Die Aktivitäten sind also nach McLuhan der Inhalt des Mediums Licht. Und dies zeigt, das dass Medium die Botschaft ist, denn das Medium selbst die Möglichkeiten und die Form des gesellschaftlichen Lebens bestimmt und verändert. Medien sind dabei auch immer Erweiterungen unseres Körpers. Beispielsweise das Rad ist eine Weiterentwicklung des Fußes und übernimmt dessen Funktion.

Heiße und kalte Medien: Anwendbar auf das Internet?

McLuhan unterscheidet „Heiße Medien“ und „Kalte Medien“. Heiße Medien erweitern nur einen Sinn des Menschen. Sie sind sehr Detailreich und bieten eine große Menge an Informationen. Die benötigte Aufmerksamkeitsspanne ist dementsprechend gering. Zu den Heißen Medien zählt McLuhan beispielsweise die Fotografie, Kinofilme und den Hörfunk. Kalte Medien dagegen sind Detailarm und benötigen daher eine hohe Aufmerksamkeit. Ihr Inhalt muss vom Rezipienten im Geiste ergänzt werden um sie zu verstehen. Die Karikatur ist beispielsweise ein kaltes Medium. Der Rezipient muss ein gewisses Hintergrundwissen haben auf das die Karikatur abzielt um sie zu verstehen.

McLuhan ist 1980 gestorben. Somit hat er nicht mehr die Entwicklung des Internets miterlebt. Die Anwendung seiner Theorie auf das Internet ist problematisch. Das Internet ist kein Medium mit einer speziellen Anwendung. Daher muss man ersteinmal definieren was man unter dem Begriff Internet versteht. Unter dem Internet stellen sich die meisten das World Wide Web vor. Also den Bereich, den man mit einem Internet Browser abrufen kann. Oder die E-Mail. Es gibt aber noch andere Bereiche. Das Internet besteht aber noch aus anderen Diensten. Zum Beispiel dem Usenet, also speziellen Servern auf denen Diskussionforen laufen, auf die mit spezieller Software, oder neuerdings auch über Google Groups zugegriffen werden kann. Das File Transfer Protokoll (FTP) bietet, wie der Name schon sagt Dateitransfer Dienste an und ist speziell dafür optimiert. Im Internet Relay Chat (IRC) sind virtuelle Räume eingerichtet in denen sich die User in Echtzeit unterhalten können. Im Zuge der Erhöhung der Bandbreiten sind noch Dienste wie Voice over IP (VoIP) also Telefonverbindungen über das Internet und Video oder Audiostreaming dazugekommen. Wie man sieht, ist das Internet eigentlich kein Medium das man mit den „klassischen“ Medien vergleichen kann. Es vereint verschiedene Medien wie das Telefon oder den Fernseher in sich. Es ist kein Problem das Fernsehprogramm über das Internet auszustrahlen, was ja auch von verschiedenen Sendern gemacht wird.

Aber was bedeutet das nun für die Anwendbarkeit der Theorie und damit seinen Kategorien von heißen und kalten Medien?

Das Internet hat einmal Eigenschaften von heißen aber auch von kalten Medien. McLuhan bezeichnet die Sprache als kaltes Medium, da viel ergänzt werden muss vom Empfänger. Somit wäre als beispielsweise das Internet im Falle des IRC ein kaltes Medium. Hier wird sich per Sprache ausgetauscht. Die Informationen sind nicht sehr detailreich und müssen vom Rezipienten mental ergänzt werden. Die Aufmerksamkeit muss permanent aufrecht erhalten werden. Auch VoIP ist demnach ein kaltes Medium, da McLuhan ja auch das Telefon zu den kalten Medien zählt. Der E-Mail Dienst lässt sich auch als kaltes Medium klassifizieren. Hier ist auch wieder Sprache im Spiel. Was passiert aber, wenn man ein Bild per E-Mail verschickt? Dann hat auch die E-Mail Eigenschaften eines heißen Mediums. Das gleiche Gilt für das Usenet. Hier werden zwar überwiegend Texte geschrieben, doch gibt es auch Usenet-Gruppen in denen Dateien getauscht werden. Auch beim FTP ist die Klassifikation nicht eindeutig. Hier werden ja verschiedene Dateien ausgetauscht bzw. übertragen. Sofern es sich um Texte handelt könnte man von kalten Medien sprechen. Bei Programmen wird es schon schwierig. Da sie aber auch eine hohe Aufmerksamkeit benötigen, würde ich diese auch zu den kalten Medien zählen. Sofern Bilder oder Filme übertragen werden sind wir wieder bei den heißen Medien. Hier wird auch nochmal deutlich wie sich der Medienbegriff von McLuhan auswirkt. Jedes Medium beinhaltet wieder ein anderes Medium. Eine endlose Klassifizierung ist die Folge, die aber nicht wirklich etwas zum eigentlichen (Programm)Inhalt sagt. Das WWW ist eigentlich der problematischste Teil des Internets. Denn hier verbinden sich verschiedene Dienste und Techniken. Wir haben hier einmal die klassische Homepage, die einen Inhalt in Form eines Textes hat. In diesem Fall ist die Einteilung als kaltes Medium noch einfach. Wenn nun zu dem Text auch noch Bilder hinzukommen, hat die Webseite plötzlich auch Eigenschaften eines heißen Mediums. Denn ein Bild ist Detailreich und ist leicht zu verstehen. McLuhan selber kategorisiert die Fotografie ja auch als ein heißes Medium. Sofern ein Cartoon oder eine Karikatur auf der Seite zu sehen ist sind wir wieder bei den kalten Medien. Schaut sich der Rezipient einen Film an wird die Seite wiederum zum heißen Medium. Eine Seite eines TV-Senders könnte man als kaltes Medium bezeichnen, da hier Text angezeigt und eventuell auch das TV Programm an sich ausgestrahlt wird.

Wie man sieht, ist das Internet ein Medium das sich den Klassifizierungen von McLuhan entzieht. Seine Definitionen sind dafür einfach zu unpräzise. Dazu kommt noch die Tatsache, das dass Internet eben nicht nur eine Anwendung kennt. Eine Zerlegung des Internets in seine Bestandteile, also seine Dienste und Anwendungen hilft auch nicht wirklich weiter. Wie man an den Beispielen gesehen hat, ist der Versuch das Internet in seine Bestandteile zu zerlegen und diese dann eindeutig zu Klassifizieren gescheitert. Bis auf VoIP und IRC haben die Dienste Eigenschaften von heißen und kalten Medien. Vielleicht ließe sich eine Kategorisierung nach der am meisten genutzten Anwendung durchführen. Wenn beispielsweise die häufigste Anwendung der E-Mail der reine Textaustausch ist, dann könnte man diesen Dienst eindeutig als kaltes Medium klassifizieren. Aber das hilft alles nicht wirklich weiter irgendetwas daraus abzuleiten. Eine Erkenntnis ist nicht wirklich daraus zu ziehen. Im Gegenteil. Die unklare Definition und die daraus resultierenden unklaren Klassifizierungen verwirren mehr, als das sie etwas zum Erkenntnisgewinn beitragen.

Mein Fazit fällt also eher negativ aus. Die Begriffe der „heißen“ und „kalten“ Medien sind nicht eindeutig auf das Internet anzuwenden. In Verbindung mit dem allgemeinen und zu unscharfen Medienbegriff von McLuhan führt es zu keinem brauchbaren Ergebnis. Daher ist die Einteilung auch nicht auf das Internet anwendbar. Man könnte höchstens sagen, dass das Internet die heißen und kalten Medien vereinigt. Dafür müsste aber dann innerhalb von McLuhans Theorie ein neuer Begriff gebildet werden, oder man würde die Theorie nur zur Beschreibung eines Mediensystems ohne das Internet benutzen. Dies ist aber unpraktikabel und würde sich höchstens bei einer Einzelmedienanalyse anbieten.


Literatur:

McLuhan, Marshall (1964): Die magischen Kanäle, Understanding Media. Dresden Basel: Verlag der Kunst 1995. S. 21-61

Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

5 Antworten zu Marshall McLuhan: Die magischen Kanäle

  1. DrNI@CLB sagt:

    Etwas esoterisch mutet dieses heißkalte Zeug ja schon an. 😉
    Aber ist das Internet als solches überhaupt ein Medium? Eigentlich ist es ja nur ein Transportmittel. So wie das Papier der Zeitung, das, wenn es auf der Rolle aus der Papiermühle kommt. Aber wenn alles ein Medium ist, dann wird es natürlich schwierig.
    Das Medium wäre dann eher das WWW, das ja zunehmend multimedial daherkommt und daher irgendwie auch immer mehr lauwarm wird. 😉
    Mit dem WWW tut sich auch die Korpuslinguistik schwer. Was für eine Textart ist das WWW? Roman, Artikel in einer Fachzeitschrift, Lyrik? Man findet irgendwie alles, aber manche Genres sind einfach nur eigenwillig.
    Das ist dann auch wieder verwandt mit der permanenten Diskussion im Blogs und was sie denn nun seien.
    Aus dem Internet (oder dem WWW) kann eben jeder das Medium machen, das ihm gefällt und das er braucht. Und wenn das für jemanden heißt, DMX-Signale zur Steuerung einer Lightshow von Tübingen nach Bremen zu übertragen, dann macht er das eben. Die meisten anderen wird es nicht interessieren.
    Nur lässt sich diese Vielfalt generell schlecht klassifizieren.

  2. Soziobloge sagt:

    Ja mit dem Internet da tun sich die Medienwissenschaften schwer. Niemand weiss eigentlich so genau was es nun ist. In den Politikwissenschaften werden dem Internet magische Fähigkeiten zur Transformation von Diktaturen zu Demokratien angedichtet. Mal abgesehen davon das die Medienwissenschaftler ich selbst nicht sicher sind was ein Medium nun überhaupt ist, muss man beim Internet wohl noch etwas abwarten, wie die Entwicklung weitergeht. Aber ich würde auch eher sagen, das es ein Behälter für vielfältige Medienkategoerien ist. Mal schauen ob die Wissenschaft das mal in ihre Schubladen einsortiert bekommt. 😉

  3. Wer sagt denn, dass ueber das Internet Bilder, Toene oder Texte uebertragen werden? Im Moment der Uebertragung existieren diese Unterschiede schlicht nicht. Alles was im Netz unterwegs ist, sind Bitmuster (oder besser: definierte Spannungschwankungen). Die weiteren Unterscheidungen werden erst durch andere Medien(re-)generiert und (weiter) uebertragen, dabei ist die Ausgabe nicht einmal unbedingt festgelegt. Ein Text kann z.B. als Sammlung von Zeichen zum Selbstlesen angezeigt oder (per Blindows) vorgelesen werden.

    Vielleicht ist dieser Text in dem Zusammenhang fuer Dich von Interesse?

  4. Geht hier kein HTML?
    Mein letzter Eintrag hatte eigentlich einen Link zu einem Textstueck enthalten (sollen). Hier im Klartext nachgereicht.

    http://www.blues-browser.de/uni/kmmm02.htm

    Zur einfacheren Handhabung: „Homepage“ anklicken fuehrt auch zum Ziel.

    😉

    😉

  5. Pingback:heiß und kalt im online blätterwald « post[l]it

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert