Apokalypse? Ne doch nicht

Sandale des Weltuntergangs-Propheten nach der Entrückung

Bisher sind noch keine Voraussagen bezüglich des Weltuntergangs eingetreten. Dies scheint aber bisher wenig Auswirkungen auf die Gläubigen gehabt zu haben. Auch über tausende Jahre enttäuschte Hoffnung auf das kommende Gottesreich hält die Menschen nicht davon ab, weiterhin daran zu glauben und neue Termine festzusetzen. Mal abgesehen von Geschäftemachern, die selbst wohl eher nicht daran glauben sondern nur damit ihr Geld verdienen, ist das für Gläubige natürlich ein Problem, wenn ihr Gott nicht kommt um sie zu erlösen.

Wie gehen die Gläubigen mit so einer Situation um? Dies hat Volkhard Krech am Beispiel der Zeugen Jehovas und des People’s Temple erforscht. Demnach haben die Gläubigen drei Möglichkeiten darauf zu reagieren.

1. Sie fallen vom Glauben ab

2. Sie gewöhnen sich an die Enttäuschung und werden quasi resistent

3. Sie versuchen die Apokalypse selbst auszulösen

 

Die Zeugen Jehovas sind recht fleißig was die Vorhersage des Weltuntergangs betrifft. Was nicht verwundert, da sie die Auserwählten sind, die gerettet werden. Allein zwischen 1874 und 1925 gab es acht Weltuntergangstermine, die aber nicht eintrafen. (Wobei man vielleicht sagen kann, dass die Welt wie man sie kannte zwischen 1914 und 1918 schon unterging. Danach war in Europa nichts mehr wie es einmal war.) Danach wurde man vorsichtiger, da sich auch etwas Unmut breitmachte. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs war man sich aber sicher, dass der Weltuntergang begonnen hatte. 1975 sollte es dann wieder soweit sein. Doch wieder blieb es bei der Ankündigung und die Frustration unter den Mitgliedern war äußerst groß. Seitdem hält man sich mit konkreten Terminen zurück (vgl. Krech 2008, 219ff).

 

Wie gehen die Zeugen Jehovas nun mit so einem Problem um. Es handelt sich hierbei um einen Fall von großer kognitiver Dissonanz. Die Realität weicht eklatant von den Überzeugungen der Personen ab. Dies führt zu Unbehagen und muss beseitigt werden. Also beides wieder in möglichst große Konsonanz überführt werden (vgl. Krech 2008, 222f).

 

In der Organisation wird dies einerseits durch einen Wechsel zwischen eindeutigen und vagen Aussagen und andererseits durch die autoritäre Struktur erreicht. Es werden zwar eindeutige Termine genannt, die Zeichen die darauf hindeuten sind aber immer vage und liegen in der Deutungshoheit der Organisation. Hat ein Mitglied ersteinmal die Regeln verinnerlicht und sein Leben danach ausgerichtet bekommt er durch die Schriften der Organisation der Wachturm Gesellschaft stetige Bestätigung aber auch Verunsicherung. Da man aber nicht zu den Auserwählten gehört, wenn man die Zeichen nicht sieht, wird man sich notfalls einreden diese zu erkennen. Daher geht es bei den Zeugen Jehovas vor allem um die Verinnerlichung der Ideologie. So können die Zweifel beseitigt werden, da man sich in einer Geisteshaltung befindet, die quasi automatisch dazu führt die Geschichte im Sinne der apokalyptischen Deutungsmuster zu sehen und so die Zeichen zu erkennen (vgl. Krech 2008, 224ff).

 

Beim Fall des People’s Temple, der von Jim Jones als charismatischem Herrscher mit, von seinen Anhängern zugeschriebenen, messianischen Eigenschaften geführt wurde, führten die Spannungen zu einem kollektiven Selbstmord. Die Apokalypse wurde praktisch selbst herbeigeführt um die Dissonanzen aufzulösen. Auch hier spielte ein streng autoritäres Regime eine große Rolle (vgl. Krech 2008, 226ff).

 

Wie man an den beiden Beispielen sieht, bedarf es großer Anstrengungen um ein Abfallen vom Glauben zu verhindern, wenn die Apokalypse auf sich warten lässt. Vor allem, wenn sie für einen bestimmten Termin angekündigt wird. Sozialer Druck, stetige Einübung und Verinnerlichung von Verhaltensweisen und Ideologien unterstützen die Resistenz gegenüber den dadurch ausgelösten kognitiven Dissonanzen. Kann dies nicht mehr kompensiert werden kann dies zu einem kollektiven Selbstmord führen. Davon hört man ja immer mal wieder in der Presse. Funktioniert der Mechanismus, so schweißt es die Gemeinschaft der Gläubigen umso mehr zusammen.

Die von Krech untersuchten Fälle sind beide aus dem christlichen Bereich. Der aktuelle Hype um das Weltende 2012 scheint mir weniger religiös denn esoterisch begründet zu sein. Ob dies auch zu entsprechenden Sekten mit solche schwerwiegenden Folgen führt, muss sich noch zeigen. Die Nachkommen der Maya selbst haben wohl eher andere Sorgen im Moment. Wobei man so eine Dürre natürlich auch wieder als Zeichen des drohenden Untergangs sehen kann. Vielmehr sieht ein Archäologe die Weltuntergangsdeutung als eine Anwendung von „westlicher“ Apokalyptik auf die gar nicht apokalyptische Weltsicht der Maya. (Artikel bei N24)

 Literatur:

 

Krech, Volkhard 2008: Wer glaubt wird selig? Enttäuschungsresistenz und letale Apokalypse – Die Zeugen Jehovas und der People‘s Temple. In: Nagel, Alexander-Kenneth, Bernd Ulrich Schipper, und Ansgar Weymann [Hrsg.] 2008. Apokalypse : Zur Soziologie und Geschichte religiöser Krisenrhetorik. Frankfurt [u.a.]: Campus-Verl. S. 217-236

Einleitung

Teil 1

Teil 3

Teil 4

 

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6 Antworten zu Apokalypse? Ne doch nicht

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  4. Alex sagt:

    Eine wirklich sehr interessante Frage, ob es vor dem Hintergrund des 21.12.2012 zur Sektenbildung kommt (oder bereits gekommen ist) und vor allem wie. Und wie bestehende apokalyptische Religionen darauf reagieren. Ich befürchte aber, hier in Deutschland wird das nicht so spannend, wie in Nord- und Süd-Amerika. Dort haben religiöse Gruppen und Bewegungen einen deutlich fruchtbareren Boden.

    • Soziobloge sagt:

      Ja ich vermute auch mal, dass das in Amerika deutlich wahrscheinlicher ist, dass sich Sekten dazu gründen. Ich denke wir werden davon wohl noch durch die Medien erfahren. Sowas macht sich ja immer gut als Schlagzeile.

  5. Apokalypse sagt:

    Ich versteh nicht ganz wie die Zeugen Jehovas reagiert haben nachdem der Weltuntergang an den konkreten Terminen nicht eingetroffen ist. Eine Reaktion scheint zu sein, dass sie keine konkreten Termine seit 1975 nennen. Aber geht in dem Buch heraus was sie nach einem nicht eingetroffenen Weluntergang gemacht haben – wie sie die Mitglieder an der Stange gehalten haben?

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